Dienstag, 1. April 2008

Lernen in der Urmatrix

Der Titel ist absichtlich fehlgeschlagen, aber vielleicht stellt sich am Ende heraus, dass er doch stimmt.

Alles, was ich lerne, was ich wirklich lerne - nicht alles, was ich gelehrt bekomme - binde ich an bereits gemachte Erfahrungen. Klar, aber: von allen Erfahrungen, die wir in unserem Leben bereits gemacht haben, gibt es ganz besondere, nämlich die allerersten Erfahrungen überhaupt, nachdem Ei- und Samenzelle verschmolzen sind. Man könnte einwenden, vor der Befruchtung gibt es auch schon Erfahrung, die jahrtausende alte Erfahrung der Gattung Mensch, die jede Zelle in ihrem Kern genetisch gespeichert hat. Aber um genetische Information soll es hier nicht gehen. Primärerfahrungen werden hier die Erfahrungen genannt, die der Mensch mit Beginn des Embryostadiums bis zu seiner Geburt macht. Primärerfahrungen bleiben lebenslang subjektiv von Bedeutung. Sie spielen unter anderem eine Rolle für unser Lernverhalten. Aus Primärerfahrungen bilden sich sensorische und psychische Grundmuster heraus, sogenannte Urmatrizen.

Primärerfahrungen wurden gemacht in einem weitgehend idealen Milieu. Der Mutterleib ist ein geschützter Raum, er bietet Stimulation (Bewegung, Organgeräusche, rhythmische Geräusche, Stimmgeräusche, andere Geräusche außerhalb des Mutterleibes, Berührung, Licht, Farbe), der wachsende Mensch erhält Eindrücke von sich selbst bzw. nimmt sich selbst wahr (Eigenstimulation) und im Mutterleib gibt es immer Nahrung und Sauerstoff über das Blut. Außerhalb des Mutterleibes sucht der Mensch Erfahrungen, die an seine bisher gemachten Erfahrungen anknüpfen. Er sucht, über die neuen Eindrücke eine Brücke herzustellen zu seinem intrauterinen Leben. Die Eindrücke im Mutterleib haben den Menschen geprägt. Der Mensch hat sie als sinnvoll erfahren. Und er weiß allen nachfolgenden Eindrücken basierend auf seiner vorgeburtlichen Erfahrung einen Sinn zu geben.

Die vorgeburtlichen Eindrücke sind von Embryo zu Embryo, also von Mensch zu Mensch, so verschieden nicht. Viele Menschen reagieren mit Genuss auf Berührungen am Rücken. Eine Berührung, die jeder vor seiner Geburt erfahren hat. Bereits vor der Geburt hat ein Mensch Geräuschqualitäten unterschieden. Rhythmische Geräusche von unregelmäßigen, bedeutsame von unbedeutsamen, zum Beispiel.

Ribke, Juliane (1995) Elementare Musikpädagogik. Regensburg

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