Samstag, 18. September 2010

Selbstgespräche

Eine Buchempfehlung für
Hermann das Kind und die Dinge von Harrie Geelen.


Hermann ist noch ein Kind. Die Dinge in seiner Umgebung reden und er, das Kind, darf mit den Dingen reden. So erklärt sich einiges, zum Beispiel die Trauer. So löst sich ein Problem wie der Durst. So kann Hermann das Kind bei Gewitter einschlafen.

Der Lichtschalter,
die Vase,
die Puppe ohne Kopf,
das saubere Hemd,
das Feuerwehrauto mit der echten Leiter,
das Taschentuch,
der Stuhl,
der Wecker,
die Bausteinkiste,
der Löffel,
die Medizinflasche,
der Trommelaffe,
der Kopf von der Puppe ohne Kopf,
der Bettvorleger,
das Buch.

Das alles sind Dinge, die kennt irgendwie jedes Kind. In sieben kurzen Geschichten erweisen sie sich als äußerst hilfreich, Dinge mitzuteilen oder begreifbar zu machen, die sich nicht mit einem Wort fassen lassen. Gedankendinge, Gefühlsdinge; wie das ist, wenn abends im Bett noch der Durst kommt, wenn Hermann auf Mama wartet, die auf ein Baby wartet, wenn ein Gewitter das Einschlafen begleitet, Kranksein, Trauer, ein philosophischer Ausflug zu der Herkunft von Geschichten, sich unter dem Bett verstecken und wieder hervorkommen.

Es gibt kein Erklären in den Geschichten und kein Lehren, nirgends eine allgemeingültige Antwort, nur die Sicht eines Stuhls, auf dem ein Taschentuch liegt, die Bezeugung eines Taschentuchs, die Meinung eines Lichtschalters, die Kommentare einer Vase ... Und die Dinge reden nicht nur, sie können auch sehr viel für Hermann das Kind tun. Sie können ihm beim Verstecken helfen, beim Gesundwerden, beim Überwinden eines dunklen Flurs, um Wasser zu holen. Sie antworten auf eine Frage und beschäftigen sich mit Gewitter, wenn eins da ist, jedes Ding auf seine eigene Weise.

Eine Art von Selbstgespräch.

Ich kenne das Buch seit wenigstens sieben Jahren und wollte eine entsprechende Empfehlung schon vor Monaten schreiben - doch wie? Auf die Idee, die Geschichten mit Selbstgesprächen in Verbindung zu bringen, kam ich erst vor kurzem beim erneuten Lesen. Mit Dingen reden ist doch, so dachte ich mir, als redete man mit sich selbst. Denn die Antwort, welche einem die Dinge geben, welche man sie geben lässt, kommt doch nicht von den Dingen, sondern aus einem selbst.

Hermann das Kind und die Dinge derart zu betrachten, mag übertrieben scheinen. Es ist ein Kinderbuch, das sieht jeder an den großen Bildern, Bilder auf jeder Seite! Im Kinderbuch ist es normal, das Gegenstände wie Personen sprechen und handeln können! Ja, normal und, wie ich finde, irgendwie sehr heilsam. Meine Betrachtungsweise ist angeregt worden durch zwei Bücher von Klaus Lange, der folgendes schreibt:

Menschen reisen überall hin und kommunizieren mit anderen, wo sie auch sind auf der Erde. Die Reise zu sich selbst und die Kommunikation mit sich selbst sind bei uns jedoch weitgehend unbekannt.
Quelle

Harrie Geelen (1993) Herman het kind en de dingen. Amsterdam // dt. von Mirjam Pressler (1993) Hermann das Kind und die Dinge. Köln

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