Dienstag, 15. Juli 2008

Rechtsstaat ohne Erbarmen

Der Niedersächsische Flüchtlingsrat bemüht sich schon seit drei Jahren um das Rückkehrrecht für Gazale Salame. Die Frau war als Kind! mit ihren Eltern aus dem Libanon nach Deutschland geflüchtet. Sie ging hier zur Schule und gründete als Erwachsene eine Familie. Dann forderten die deutschen Behörden sie zur Ausreise aus Deutschland auf mit der Begründung, Gazale Salames Eltern! hätten bei der Einwanderung vor 16 Jahren falsche Tatsachen angegeben und Salames Aufenthalt in Deutschland sei somit rechtswidrig. In den Libanon kann Gazale Salame aus politschen Gründen nicht zurück, aber in die Türkei sollte sie abgeschoben werden. Die schwangere Gazale Salame reiste nicht freiwillig aus. In einer unangekündigten Aktion wurde sie zusammen mit ihrem jüngsten Kind, einem Säugling, von der Polizei aus ihrer Wohnung geholt und zum Flug in die Türkei gezwungen. Zum Zeitpunkt dieses Polizeiüberfalls war der Mann Gazale Salames gerade unterwegs, die zwei älteren Töchter zur Schule zu bringen.

Ich verlinke an dieser Stelle einen Film, in dem unter anderm der Vorsitzende des Niedersächsischen Flüchtlingsrats Kai Weber und Gazale Salames Mann zu Wort kommen, sowie der niedersächsische Innenminister, der gegenüber den Engagierten für Flüchtlingsrechte den deutschen Rechtsstaat verteidigt.

Montag, 14. Juli 2008

Das Elementare bei Orff und Ribke

Das Werk der 2006 verstorbenen Juliane Ribke wird als bahnbrechend und grundlegend für die Weiterentwicklung der Elementaren Musikpädagogik und im besonderen für die musikalische Früherziehung bezeichnet. (neue musikzeitung 10/06, nmz 10/06) Carl Orff (1895-1982) ist bekannt als Begründer der Elementarmethode in der musikalischen Unterrichtung. Er wird selbstverständlich auch von Ribke nicht ausgelassen. Nicht nur, dass seine musikpädagogische Idee eine wichtige Brücke zur heute praktizierten und institutionalisierten Musikalischen Früherziehung darstellt (vgl. Ribke 1994, S.102), Ribke nähert sich auch dem Begriff des Elementaren über Orff. Wenn Ribke dann in ihrem Buch fortfährt, das Elementare zu ergründen, zieht sie wissenschaftliche Forschung zu Rate, die Orff so nicht aufgegriffen hat, weil sie ihm zum großen Teil auch noch gar nicht zur Verfügung gestanden hat. Im Prinzip ist Ribkes Annäherungsweise - ich selbst sehe es so, dass es immer nur eine Näherung geben kann, nie ein vollständiges Begreifen des Elementaren - eine konsequente Fortführung von Orffs Gedanken.

Orff geht von einem musikalischen Verhalten aus, "das zuerst musizierte, ohne von einem künstlichen und rationalen System der Musikform abhängig zu sein." (Liess 1955, S.61) Er führt in sein Schulwerk als didaktische Kategorie das ontogenetische Prizip ein, "[...] wonach das stammesgeschichtlich Ältere [...] auch das Elementare und damit zugleich das in der individuellen Entwicklung Frühere sein müsse." (Gruhn 1993, S.231) In Band I seines Schulwerks geht es um Rhythmus und die Erschließung des Fünftonraums. Band II und III führen in die Dur-Tonarten und erst die letzten beiden Bände in die Molltonarten ein, wobei jeweils die Bordun-Stufen vor den Dominanten Gegenstand der Beschäftigung sind.

Ribke führt Orffs Gedanken des ontogenetischen Prinzips anders weiter als Orff selbst, finde ich, auch wenn Ribke selbst überhaupt keine Bemerkung über ein unterschiedliches Vorgehen fallen lässt. Der Individualentwicklung des Menschen folgend und der Annahme, dass das Elementare Grundlegendes meint, legt Ribke grundlegende Prozesse in der menschlichen Entwicklung frei.

"Wir sehen das Elementare als ein Prinzip an, das unabhängig vom Materialbereich wirksam wird, wenn Verhalten oder Darstellungsformen Grundstrukturen repräsentieren, in denen das Ganze unabhängig von Fülle enthalten ist." (Ribke 1995, S.35)

Ribke fokussiert nicht das Material in ihrem Konzept Elementarer Musikpädagogik. Sie setzt sich mit Material auseinander, aber sie lenkt nicht zuerst den Blick darauf, welches musikalische Material und welche Instrumente den Ursprüngen am nächsten seien. Orff, scheint es mir, hat sich sehr oft von seiner Inspiration leiten lassen, wenn er etwas dem Elementaren zuordnete. "Für mich und mein späteres Werk bedeutete die Kunst Mary Wigmans viel. [...] Sie konnte mit ihrem Körper musizieren und Musik in Körperlichkeit umsetzen. Ihren Tanz empfand ich als elementar." (Orff 1976, S.9) Das Instrumentarium suchte Orff seiner Inspiration folgend aus, "[...] exotische Schlaginstrumente und Flöten [...], die, fernöstlichen Kulturen entstammend, alle dem Tanz verbunden waren und ihm entsprachen" (ebenda). Orff ließ sich auch fachlich beraten, und zwar von Curt Sachs (1881-1959), dem Leiter der Staatlichen Musikinstrumentensammlung in Berlin (bis 1933). Die Blockflöte lehnte er solange ab, bis Sachs ihm erklärte "[...] dass Funde von Frühformen der Blockflöte (Knochenflöten) in Nordeuropa seit der Steinzeit nachweisbar sind [...]" (Orff 1976, S.97). Genaugenommen suchte Orff das Elementare als das Ursprüngliche in der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen und nicht in seiner Ontogenese. Insofern gilt, dass die Ontogenese des Menschen seine Phylogenese rekapituliert, insofern ist es logisch, dass Orff die Phylogenese betrachtet, um etwas über die Ontogenese zu erfahren.

Ribke bleibt bei der Betrachtung der Ontogenese und stützt sich dabei auf die Forschungsergebnisse des Embryologen Erich Blechschmidt. Erst aus der Ontogenese leitet sie dann überindividuelle, universelle Prinzipien ab. Nach Blechschmidt sind die biomechanischen Gestaltungsvorgänge beim Zellwachstum, der Zellvermehrung und -differenzierung die Ursache frühester individueller Erfahrung von dynamischen Gestaltungsvorgängen. Gleichzeitig sind biomechanische Gestaltungsvorgänge als grundlegende Formungsprinzipien überindividueller Natur und bilden eine universelle Erfahrungsgrundlage (vgl. Ribke 1995, S.53ff.). Ribke geht von der Annahme aus, dass Leib und Geist eine Einheit bilden und daher die fundamentalen Gestaltungsvorgänge innerhalb der organismischen Genese ebenso fundamental in der psychosozialen Entwicklung des Menschen sind. An diese Annahmen anknüpfend, ist dann nicht vordergründig das Material von Bedeutung, sondern dessen Darbietung. Letztlich wichtig ist die Anbindung der Inhalte musikalischer Früherziehung an Erfahrungen des Einzelnen. Externe Impulse, so Ribke, müssen immer im Diensete interner Prozesse stehen, "[...] dass sie inneren Motiven Form und Inhalt verleihen." (S.61)

In Orffs Vorstellung existieren naturgegebene primäre Ausdruckswelten, die sich das Kind improvisatorisch erschließt. Bei Ribke sind es die Erfahrungsgrundlagen, an die die Elementare Musikpädagogik anschließt, wodurch das Kind bei sich selbst bleiben bzw. zu sich selbst finden kann.

Literatur:
Gruhn, Wilfried (1993) Geschichte der Musikerziehung. Hofheim.
Liess, Andreas (1955) Carl Orff. Zürich.
Orff, Carl (1976) Carl Orff und sein Werk. Dokumentation. Teil III: Schulwerk. Elementare Musik. Tutzing.
Ribke, Juliane (1994) Musikalische Früherziehung. In: Richter, Christoph (Hg.) (1994) Handbuch der Musikpädagogik Bd. 3 Kassel, Basel, London. S. 94-125
Ribke, Juliane (1995) Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept. Regensburg.

Dienstag, 1. Juli 2008

Sumpfsimse



Obige Sumpfsimse wächst auf zeitweise überschwemmten oder sehr nassfeuchtem Gebiet. In diesen Wochen ist der Boden fast ausgetrocknet. Die Pflanze hat oben, wie auf dem Bild zu sehen, diese von einem Zentrum aus in alle Richtungen sprießenden grünen Halme, aus denen an der Spitze die Blüte tritt. Unterhalb des grünen Schopfes ist noch ein hoher Sockel, der auch zur Pflanze gehört, den ich aber mit der unzureichenden Digitalkamera nicht aufs Bild bekommen konnte. Das Grün sprießt also nicht direkt aus dem Erdboden - die Wiese ist tiefer, als es auf den ersten Blick scheint.