Freitag, 15. November 2013

Vogelbad


Vogelbad Abb. 13.1


Vogelbad Abb. 13.2

Bildnachweis: Sumpffuß (2013) Naturtagebuch S.131

Samstag, 9. November 2013

Vorurteile über Spatzen

Thementee: Haussperling. Vorurteile abbauen.

Der Goldrand ist ein Hingucker.

Obwohl die Hausbaurate gefühlt gleichbleibend hoch ist, geht die Populationsdichte des Haussperlings in vielen Siedlungsgebieten zurück. "In vielen Städten nehmen Haussperlinge neuerdings dramatisch ab." (Bezzel, S.492) Das ist schade, weil damit Projektionsfläche verloren geht.


Der graue Spatz, der laute Spatz, der schimpfende Spatz, auf den man mit Kanonen nicht schießen soll. Der Wenigesser! Rosinenfresser? Sein Gehirn ist nicht größer als er selbst, nicht größer sogar als das Innere seines Spatzenschädels! Noch dazu soll er geschwätzig sein, obwohl er gar nicht viel sagen kann, der Dreckspatz.

Der Haussperling war mein erster Vogel
und wenn ich gefragt wurde, als welches Tier ich wiedergeboren werden wollte, dann sagte ich, als Vogel, und fügte schnell hinzu, aber nicht als Spatz.

Ich wusste nicht, dass es Ornithologen sind, die sich mit Spatzen beschäftigen, ich dachte, es müssten Pädagogen sein. Vogelkundler interessieren sich nur für "richtige Vögel". Pädagogen nehmen sich, da sie den Spatz nicht zähmen können, der Kinder an und halten ihnen einen Spatz als schlechtes Vorbild vor Augen.


So wollte ich nicht werden, so wie der Spatz. So ungeputzt, so grau, dass man ihn im Straßendreck übersieht, so leichtsinnig mit einem so liederlichen Nest, so vorlaut und so ... so, so unauffällig.

Das auffälligste Merkmal eines Spatzes ist seine Unauffälligkeit.
Könnte man meinen.
Vor hochwertigem Geschirr aus Porzellan ist der Hausspatz gut zu sehen, aber in seinem natürlichen Lebensraum zwischen Geländern, vor Häuserfassaden, unter Stehimbisstischen oder neben Bordsteinkanten verschwindet er geradezu. Trotzdem kommt er im Foto-Kalender über gut getarnte Tiere nicht vor. Was nicht ausdrücklich gegen seine Unauffälligkeit spricht, ganz deutlich aber für seine Bedeutungslosigkeit.


B e d e u t u n g s l o s i g k e i t, das ist ein wunder Punkt.
So ergattert der Spatz unversehens wichtige Nebenrollen in Geschichten. Beispiel hierfür ist das mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Bilderbuch Leberecht am schiefen Fenster. Dem Erzähler Peter Hacks gefällt die Geschichte selber nicht. Als Sperling flattert der Spatz in den Streit um eine Taschenuhr. Für kurze Zeit, solange wie ein Schlagabtausch zwischen einem Spatz und einer Katze dauert, hält er das Streitobjekt im Schnabel.  Mit weißbestrumpften Beinen und einer Maske im Gesicht ist er aufwendig kostümiert, die Füße sogar in schwarzen Schuhen mit Absatz. Die Illustration macht sichtbar, wie wir ständig unverhohlen unsere menschlichen Unzulänglichkeiten auf ein unschuldiges Tier übertragen. Wir überlassen dem Spatz, der immer das letzte Wort haben will, das letzte Wort, und wenden uns, solchem überlegen, Wichtigerem zu.

"Singt überall"
Cover der ersten Single
datiert auf Ende 1970, frühe 80er
"Kackt auf meine Heimatkunde ..." (G. Saalmann, Der Stundenvogel in Hilzheimer, S.21)
Verschwiegen haben sie uns, dass er ein Singvogel ist. In Heimatkunde, 45 min lang, wenigstens zweimal die Woche. Dabei hätte der Spatz auch fürs Singen als schlechtes Vorbild standherhalten können - und tut er ja irgendwie schon auch. Nur dass es nicht heißt, "Du singst ja wie ein Spatz." Es heißt, der Haussperling schilpe, beherrsche aber auch ein weiches "wäd", ein lautes "tetete" und reine "dü dü dü"s (vgl. Bezzel, S.492).

Jeder Ton zählt, denkt man sich nun,

was die Spatzen aber eigentlich zu der Gruppe der Eigentlichen Singvögel zählen lässt, ist ein anatomisches Merkmal, nämlich die Anzahl und der Ansatz der Muskeln des Stimmapparates. (vgl. Austin, S.9)

Wenn man ganz nah ran geht, sind die Spatzen mit bloßem Auge im Gesträuch zu erkennen.
Ich finde an Spatzen bemerkenswert, wie sie ein Gestrüpp oder Geäst zum Reden bringen können. Ihre Verlautbarungen, die dem Spatz als Geschwätzigkeit angelastet werden, und ihre Unauffälligkeit ergänzen sich hierbei in hervorragender Weise. Auf blattlosen Zweigen verblasst vor tristem Himmel selbst ein ganzer Schwarm, mit den Augen finde ich nicht die Quelle des Geräuschs, und dann scheint es, als lärme der Strauch, das Gestrüpp, wie auch immer.

Ganz anders der Feldsperling
Gegen Ende der Teezeit, als die Tauben die Spatzen bereits verdrängt haben, merke ich, dass noch alle Vorurteile da sind. Die Spatzen mochten nicht meinen Grünen Tee, haben nur von dem Müsli genommen und sich gezankt, haben sich danach in den Dreck gesetzt oder sind andernorts mit ihrem städtischen Hintergrund verschmolzen bis zur Unsichtbarkeit.

Quellen:

Peter Hacks, G. Ruth Mossner (1983) Leberecht am schiefen Fenster. Kinderbuchverlag Berlin; Neuauflage 1994, Middelhauve München
Hannelore Hilzheimer (Gedichtauswahl), Jutta Mirtschin (Bilder) (1983) Kinderbuchverlag Berlin


Oliver L. Austin (englisch 1961, dt. Nachfassung 1971) Knaurs Singvögel der Welt. München/Zürich
Einhard Bezzel (2006) BLV Handbuch Vögel. München
Adolf Portmann (1984) Vom Wunder des Vogellebens. München